Public Debate: Vertretungsgesetzgebung

Es gibt 14 Antworten in diesem Thema, welches 586 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Elizabeth Hamilton.

  • My fellow Citizens,


    Mit dieser öffentliche Debatte, zu der ich alle Bürger Astors ganz herzlich einlade mitzudiskutieren, möchte ich das Thema "Vertretungsgesetzgebung" wieder auf die politische Agenda unserer Vereinigten Staaten setzen. Ich werde dazu im Folgenden auf einen Vorschlag zurückgreifen, der bereits einst im Rahmen der National Governor’s Conference vorgebracht worden war.
    Zunächst einmal möchte ich aber die aus meiner Sicht gegebene Notwendigkeit einer solchen Regelung darlegen. In vielen unserer Bundesstaaten finden nur noch selten echte politische Auseinandersetzungen über kontroverse Gesetzesthemen statt. Das hat viele unterschiedliche Gründe, von der Bürgerzahl bis hin zu dem größeren Interesse der lokalen Politiker an der Bundesebene. All das ist eine natürliche Entwicklung, die dazu führt, dass viele eigentlich wichtige Materien, für die die Kompetenz bei den Staaten liegen, rechtlich ungeregelt bleiben. Ich hoffe aber dem mit einer - wie auch immer am Ende gearteten - Vertretungsgesetzgebung entgegenwirken zu können. Mein Vorschlag wäre der Folgende, den ich an einem Beispiel ganz grob skizzieren möchte.


    Der Bund erkennt, dass in einigen Bundesländern eine wichtige Materie nicht oder nur lückenhaft durch rechtliche Regelung besetzt ist. Daraufhin verabschiedet der Kongress das Gesetz A, welches eine Regelung über diese Materie trifft. Ähnlich dem Verfahren bei einem Verfassungsamendment werden die Legislativen der Bundesstaaten auf Gesetz A aufmerksam gemacht und zur Behandlung angehalten. Die Legislative des Staates befasst sich daraufhin mit dem Vertretungsgesetz und debattiert über seine Möglichkeiten. Das wären die Folgenden:


    1) Gesetz A wird ratifiziert und somit wortgetreu in Landesrecht übernommen.
    2) Gesetz A wird abgelehnt und entfaltet im betreffenden Bundesstaat keine Wirksamkeit.
    3) Man erkennt die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung, ist aber mit den Bestimmungen des Gesetz A nicht einverstanden. Also wird es abgeändert und tritt in der gewünschten neuen Form als Gesetz B in Kraft.


    Somit würden die Länder die absolute Entscheidungshoheit behalten, ohne ihr zustimmendes Votum kann nichts passieren, folglich können die Länder auch nichts verlieren. Der hoffentlich positiv auftretende Effekt ist eine lebhaftere Debattenkultur in den Bundesstaaten zu den unterschiedlichsten politischen Themen, wenn der Kongress von diesem neuen Recht regen Gebrauch machen sollte.
    Dieser gezeichnete beispielhafte Ablauf ist die denkbar "sanfteste" Methode gegenüber den Bundesstaaten, die zu jederzeit Herr über den Prozess bleiben und sogar die Möglichkeit haben auch weiterhin auf eine gesetzliche Regelung komplett zu verzichten. Indem sie das Gesetz ablehnen oder gar nicht erst behandeln.


    Ich würde mir wünschen hier an dieser Stelle die unterschiedlichsten Meinungen und alternative Vorschläge zu hören, aus denen ich am Ende versuchen würde einen tragfähigen Kompromiss zu bilden, der alle Beteiligten zufrieden stellt und hoffentlich die gewünschten positiven Effekte erzielt. Sofern das allgemeine Stimmungsbild überhaupt eine Änderung des Status Quo wünscht. Genau das herauszufinden soll ja das Ziel dieser Diskussion sein.

  • Grundsätzlich halte ich die Diskussion dieser Frage durchaus für sinnvoll. Eine Gefahr könnte allerdings sein, daß die Verlagerung solcher Debatten auf Bundesebene die - in der Tat kaum vorhandene - politische Auseinandersetzung in den Staaten weiter schwächt. Auf der anderen Seite könnte es natürlich eine Möglichkeit sein, die Staaten mit der Vorlage solcher Entwürfe aus der Reserve zu locken.


    Das Prozedere ist jedoch aus meiner Sicht noch etwas unklar. Wenn ich Sie richtig verstehe, würde ja den Staaten eine Art "Gesetzes Template" vorgelegt, daß sie dann ablehnen oder annehmen können. Damit stellt sich allerdings die Frage, in wie weit der U.S. Kongress überhaupt ein Mandat hat, soetwas zu erarbeiten und zu verabschieden. Schließlich könnte dann auch jeder ein Gesetz schreiben und es den 6 Staaten quasi als Vorschlag zusenden, um es mal etwas plastisch zu formulieren.

  • Bezüglich des Prozedere spricht die Senatorin bereits einen Punkt an, der auch mir Kopfzerbrechen bereitet hat. Die von mir vorgeschlagene Variante ist sehr zurückhaltend den Ländern gegenüber, womit aber kaum ein Anreiz bleibt sich auch wirklich damit zu befassen. Im Grunde könnte tatsächlich auch ein Privater so einen Vorschlag rumschicken und gucken was passiert. Die Erfahrung zeigt eben nur, dass sich sehr selten jemand diese Mühe macht. Leider ;)
    Ich könnte mir auch eine Vertretungsgesetzgebung mit Abweichungsrecht der Staaten vorstellen. Das könnte in etwa so aussehen, dass der Bund ein Gesetz erlässt, welches unmittelbar im ganzen Bundesgebiet gültig ist. Damit sind die Länder schonmal auf jeden Fall angehalten zu handeln, wenn ihnen etwas nicht passt. Sie hätten dann die Möglichkeit von den Bestimmungen des Vertretungsgesetzes abzuweichen und eigene Regelungen zu erlassen. Man könnte auch darüber nachdenken, ob der Bund die Möglichkeit erhalten sollte einen "abweichungsfesten Rahmen" zu bestimmen, innerhalb dem sich die Ländergesetze auf jeden Fall bewegen müssen. So könnte verhindert werden, dass die Materie in einem Bundesstaat wieder ganz de-reguliert wird. Falls man das wünscht.


    Eine Gefahr könnte allerdings sein, daß die Verlagerung solcher Debatten auf Bundesebene die - in der Tat kaum vorhandene - politische Auseinandersetzung in den Staaten weiter schwächt.


    Das Ziel ist es dass die Debatte auf beiden Ebenen stattfindet. Einmal aus Sicht des Bundes und im Anschluss aus Sicht des einzelnen Landes. In jedem Fall entstünden dadurch neue Anreize für die Bundesstaaten wieder mehr zu debattieren, oder gar von sich aus tätig zu werden.

  • Meine Gedanken dazu hatte ich der Präsidentin bereits einmal an einem anderen Ort erläutert, möchte dies aber hier nochmal tun:


    Der Kongress soll ein Gesetz beschließen, nach dem es eine Vertretungsgesetzgebung in wichtigen Bereichen der bundesstaatlichen Kompetenz geben kann. Beispilesweise öffentliche Sicherheit, Bildung, Umwelt. Dieses Gesetz müssen die Staaten jetzt ratifzieren. Der Bund kann daraufhin in den betreffenden Bereichen Vertretungsgesetze erlassen, die dann solange in den Bundesstaaten Gültigkeit entfalten, bis die Staaten ein eigenes Gesetz zu dem betreffenden Thema erlassen. Beispiel:


    Es wird ein Gesetz über die Organisation der Feuerwehren erlassen.
    Dieses Gesetz tritt dann erstmal in allen Bundesstaaten in Kraft, die zu dem Zeitpunkt kein eigenes Gesetz haben das dieses Thema behandelt.
    Die State Assemblys sind dann natürlich dazu aufgefordert, selbst ein entsprechendes Gesetz zu erlassen (und wenn es nur eine Kopie des Bundesgesetzes ist).


    Quinn Michael Wells, Laureate of the Presidential Honor Star


    Former (XXXVII.) Vice President of the US | Former Senator of [definition=2]Astoria State[/definition] | Former SotI | Former Vice-Presidential Nominee | Former Speaker of the Assembly
    3 Times Governor of [definition=2]Astoria State[/definition]
    Record: Longest consecutive Term and most days in office as Governor of [definition=2]Astoria State[/definition]

  • Ich denke, die Frage, welche man zunächst beantworten muss, bevor man über den Sinn und Nutzen einer Vertretungsgesetzgebung urteilen kann ist, was man mit dieser erreichen will: Regelungslücken schließen, oder die gesetzgeberische Tätigkeit in den Bundesstaaten ankurbeln?


    Ersteres könnte eine Vertretungsgesetzgebung je nach konkreter rechtlicher Ausgestaltung sicherlich erreichen, letzteres meines Erachtens jedoch ohnehin nicht.


    Ich glaube nämlich ebenso wie die Senatorin von Freeland, dass viele Materien - abgesehen von einigen "Klassikern" ständiger Kontroverse, wie der Todesstrafe oder dem Waffenrecht - sich schon nach einmaliger Diskussion mehr oder weniger einfach abgenutzt haben, und nicht binnen kurzer zeitlicher Abfolge erst auf Bundesebene, und unmittelbar anschließend noch mal in den Bundesstaaten engagiert diskutiert werden würden.


    Zu erwartender Effekt an die Parlamente der Bundesstaaten geschickter Vertretungsgesetze wäre meines Erachtens, dass diese je nach Bundesstaat unter Verweis auf bereits bekannte und ausgetauschte Argumente entweder "durchgewunken" oder "abgebügelt", aber sicherlich nur in sehr seltenen Fällen einer ausführlichen Auseinandersetzung unterzogen würden.


    Und dabei muss man sich wiederum auch im Klaren darüber sein, dass die einfache Nichtinkorporation eines Vertretungsgesetzes in das Recht eines Bundesstaates in letzter Konsequenz in dem betreffenden Bundesstaat dann auch keine Regelungslücke schließt.


    Dazu müsste man die Kompetenzen der Bundesstaaten schon dahingehend beschneiden, dass sie Vertretungsgesetze nur ändern, aber nicht völlig außer Kraft setzen können. Was wiederum das rechtliche Problem aufwirft, wo genau die Grenze zu ziehen ist, wie weitgehend der Gegenstand eines Vertretungsgesetzes nach Änderung durch den Gesetzgeber eines Bundesstaates noch geregelt sein muss, damit man am Ende nicht wiederum vor der Situation steht, dass sozusagen die Nichtregelung einer Materie nur gesetzlich festgeschrieben ist.


    Ein solcher Eingriff in die Souveränität der Bundesstaaten hätte allerdings einen sehr viel weiter reichenden Effekt, als nur Regelungslücken - im Idealfall temporär - zu schließen, er würde den bundesstaatlichen Charakter der Vereinigten Staaten tiefgreifend verändern, indem die Bundesstaaten eher nur noch regionale Kontrolleinheiten wären, die im Prinzip bundeseinheitlich geltendes Recht mehr oder weniger stark modifizieren können.


    Einmal ganz abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass ein solcher Verfassungszusatz Aussicht darauf hätte, von der erforderlichen Anzahl Bundesstaaten - nämlich fünf von sechs - ratifiziert zu werden, halte auch ich das Konzept einer Vertretungsgesetzgebung auf Grund der beschriebenen Probleme für offen gesagt keine brauchbare Idee, weder um - nach Meinung mancher -fehlende Gesetze zu beschließen, noch, um die bundesstaatliche Politik zu beleben.

  • Ich schätze die Vertretungsgesetzgebung durchaus als ein gutes Werkzeug ein, um Gesetzeslücken zu schließen. Allerdings halte ich dabei eine Begrenzung auf bestimmte Themengebiete ebenso wenig für sinnvoll, wie das bloße Erarbeiten von Vorschlägen für Staaten.
    Will sagen: Nach meinen Vorstellungen sollte der Kongress der Vereinigten Staaten in allen Kompetenzbereichen der Bundesstaaten Gesetze erlassen können, die rechtsverbindlich sind, außer für die Staaten, die eigene Bestimmungen durch Gesetze verankert haben.
    Die Bundesstaaten sollten die Möglichkeit haben, diese Vertretungsgesetze durch eigene Gesetze zu ersetzen oder zu für ihren Rechtsbereich zu ändern und damit zu einem Staatsgesetz zu transferieren.

  • Ich möchte noch auf einen schwierigen Punkt hinweisen, über den sich aber wahrscheinlich die Juristen im Detail Gedanken machen müssten:


    Die Vertretungsgestzgebung kann ja eigentlich nur in Fällen funktionieren, in denen der zu regelnde Umstand 1-1 im Bundes und Landesrecht übereinstimmt. Was passiert, wenn ein Vertretungsgesetz zwar viele Punkte enthält, die tatsächlich im Land nicht geregelt sind, aber eben auch solche, die im Land in anderen Gesetzen abgedeckt werden. Ein konkretes Beispiel: In Freeland gibt es ja z.B. ein Gesetz, daß regelt, ab wie vielen Jahren man Alkohol, Zigaretten (und Marihuana ;) ) konsumieren darf. Nehmen wir nun an, es würde ein Vertretungsgesetz erlassen, daß sich generell um den Jugenschutz kümmert. Dies enthielte dann z.B. auch Passagen, wie lange man sich in welchem Alter in einer Kneipe aufhalten darf, ab welchem Alter man Pornographie erwerben kann, aber eben auch Altersbeschränkungen für den Kauf von Alkohol und Zigaretten. Nun wäre in Freeland letzterer Punkt bereits gesetzlich geregelt, der Rest aber noch nicht. Wie dann mit dem Vertretungsgestz umgehen?

  • Ich stimme der Senatorin meines Heimatstaates uneingeschränkt zu. Ein solcher Eingriff hätte tiefgreifende, weitgehend negative, Folgen für unser förderales System. Wir sollten uns auch fragen, ob ein solcher Eingriff letzten Endes zwingend notwendig erscheint. Ich habe da meine Zweifel.

    Daniel Ray „Dan“ McConnell
    Freedom, Individuality and Personal Responsibility!

  • Dass eine solche Regelung nicht ohne Eingriffe in die Souveränität der Staaten möglich ist ist mir klar. Das als Bevormundung zu sehen wäre aber falsch, ich habe mehr ein Angebot im Auge, das den Staaten wieder zu mehr Aktivität in ihren Parlament verhelfen soll. Sicher ist das Instrument dafür nicht perfekt, aber es kann helfen. Davon abgesehen schließt es natürlich Gesetzeslücken.
    Deswegen teile ich die Meinung von Congressman Clark und möchte die Kompetenz des Bundes zur Vertretungsgesetzgebung nicht auf gewisse Materien beschränken.


    Die Bundesstaaten nutzen derzeit ihre Möglichkeiten nicht und das wird sich vermutlich auch nicht großartig ändern. Das liegt an den bereits genannten Gründen und ist auch legitim. Den USA gehen dadurch aber einige Reserven verloren, die auf Bundesebene unter Umständen sehr wohl zu interessanten Debatten führen könnten, in den Staaten aber kaum auf Interesse stoßen. Ich halte es für die gesamten USA für einen wichtigen Schritt, dem Bund hier mehr „Lenkungsbefugnisse“ zuzugestehen, um die Staaten zu animieren und vielleicht ja doch zu mehr Handeln anzuregen.


    Die Vertretungsgestzgebung kann ja eigentlich nur in Fällen funktionieren, in denen der zu regelnde Umstand 1-1 im Bundes und Landesrecht übereinstimmt. Was passiert, wenn ein Vertretungsgesetz zwar viele Punkte enthält, die tatsächlich im Land nicht geregelt sind, aber eben auch solche, die im Land in anderen Gesetzen abgedeckt werden.


    Darüber hatte ich mir auch Gedanken gemacht und eben dann meine erste Variante vorgeschlagen, nach der die Staaten komplett selbst entscheiden ob und welche Teile des Vertretungsgesetzes sie in staatliches Recht übernehmen möchten. Da könnte Freeland dann einfach den Passus über Alkohol streichen und den Rest übernehmen. Die Flexibilität wäre größer.


    Um sicherzustellen, dass zumindest die Schließung von Regelungslücken erfüllt würde, könnte ich mir aber auch folgendes Prozedere vorstellen:


    1) Der Kongress erlässt Vertretungsgesetz A.
    2)
    a) Bundesstaat hat noch keine Regelung zur Materie, Gesetz A wird wirksam. Der Staat kann jederzeit ein abweichendes Gesetz zur Materie erlassen und damit das Vertretungsgesetz wieder außer Kraft setzen.
    b) Bundesstaat hat bereits eine Regelung: Der Staat stimmt ab, ob er Vertretungsgesetz A umsetzen möchte, oder an seinem eigenen Gesetz B festhalten möchte.


    Damit würden auch Staaten, die bereits über eine Regelung verfügen dazu angehalten ihren Status Quo noch einmal zu überprüfen und eventuell upzudaten. Das ist freilich kein Muss, aber schaden würde es niemandem. Und was den oben zitierten Einwurf von Senator McIlroy angeht: Freeland hätte demnach nach 2a) die Möglichkeit das Vertretungsgesetz zu überarbeiten und seine eigene bereits vorhandenen Vorschriften anstelle der des Vertretungsgesetzes einfügen. Man würde die Gesetze sozusagen "verschmelzen". Es ist ja nie der Sinn gewesen, dass die Staaten das Gesetz übernehmen müssen, natürlich können sie da beliebige Veränderungen vornehmen.

  • Je mehr Pro-Argumente und Lösungsvorschläge für identifizierte Probleme ich höre, desto weniger überzeugt mich das Konzept einer "Vertretungsgesetzgebung" ehrlich gesagt. ;)


    Föderalismus ist die Idee von Vielfalt in der Einheit. Eine Vertretungsgesetzgebung würde, fürchte ich, in Wahrheit bloß Einheitlichkeit produzieren.


    Erstens, indem effektiv der Kongress die legislativen Agenden der bundesstaatlichen Parlamente bestimmte: Er beschließt ein Vertretungsgesetz, und zwingt auf diese Weise die Parlamente der Bundesstaaten, sich in der Folge mit dieser Materie zu beschäftigen. Egal, ob diese sie für ihren jeweiligen Bundesstaat schon geregelt haben, und sich nur mit Änderungen gegenüber ihrem geltenden Recht befassen müssen, oder ob sie eine Materie vielleicht bewusst nicht gesetzlich geregelt haben, weil sie eine gesetzliche Regelung in ihrem Bundesstaat gar nicht für nötig oder wünschenswert halten.


    Dabei muss man auch bedenken, dass der Kongress mit Berufspolitikern besetzt ist, während die Parlamente der Bundesstaaten in der Regel sog. "Feierabendparlamente" sind, seine Mitglieder ihren dortigen Aufgaben also gar nicht hauptamtlich nachgehen.


    In meinem Heimatstaat Laurentiana z. B. ist es Brauch, dass im General Court immer nur ein Thema zu einer Zeit behandelt wird, nicht mehrere parallel zueinander. Das ist auch durchaus sinnvoll so, denn die Parlamentarier in Laurentiana gehen neben ihren Mandaten in der bundesstaatlichen Legislative in der Regel noch anderen Tätigkeiten nach, zu viele Beratungen zur selben Zeit würden schnell zu einer Überlastung führen.


    Ist nun der Kongress "fleißig" genug beim Beschluss von Vertretungsgesetzen, was ihm auf Grund seiner Besetzung mit Vollzeitmitgliedern problemlos möglich ist, türmt sich vor den Mitgliedern der bundesstaatlichen Parlamente schnell eine regelrechte Bugwelle von Vertretungsgesetzen auf, die sie gar nicht so schnell abarbeiten können, wie der Kongress ihnen neue schickt. Für eigene gesetzgeberische Initiativen aus den bundesstaatlichen Parlamenten selbst bleibt dabei erst gar kein Raum mehr.


    Und zweitens, indem im Wege der Vertretungsgesetzgebung sukzessive auch die Strukturierungen des Rechts der einzelnen Bundesstaaten einander angeglichen bzw. vereinheitlicht würden: Bundesstaat A betrachtet z. B. Alkohol als etwas, das nur hinsichtlich des Kinder- und Jugendschutzes gesetzlicher Regelungen bedarf, Bundesstaat B hingegen als ein gesellschaftliches Problem oder Übel, das grundsätzlich gesetzlich reguliert werden sollte.


    Das sind völlig unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema, und jede ist auf ihre Weise für den jeweiligen Bundesstaat richtig, weil die dortige Gesellschaft es eben so oder so sieht.


    Ein Vertretungsgesetz des Kongresses muss sich jedoch für den einen oder anderen Weg entscheiden, und diktiert den Bundesstaaten damit eine bestimmte Bewertung eines Gesetzgebungsgegenstandes als Teil eines bestimmten Politikfeldes.


    Im Ergebnis hat man dann irgendwann in jedem Bundesstaat die gleiche gesetzliche Systematik mit den gleichen Gesetzen, die ggf. nur noch in ihren konkreten Regelungsgehalten mehr oder weniger voneinander differieren. Im Sinne eines gelebten Föderalismus ist das nicht.


    Für sinnvoller hielte ich hier einen verstärkten Austausch und Kooperation der Bundesstaaten untereinander - etwa über die National Governors' Conference, deren aktuelle Tätigkeit ich übrigens durchaus kritisch sehe!


    Jüngst wurde dort, ohne dass Präsident oder Kongress überhaupt gefragt wurden, mal eben massiv an der Bevölkerungszahl der Vereinigten Staaten gedreht - das kann nicht Sinn und Befugnis dieser Plattform sein! Sehr wohl aber die Beratung darüber, welche Themen in welchem Bundesstaat gesetzlich wie geregelt wurden und warum, welcher Bundesstaat sich darum welchen Themas ebenfalls einmal annehmen möchte, welche Bestimmungen anderer Bundesstaaten für ihn dabei interessant, sinnvoll oder vorbildlich sind usw.


    Der Schlüssel für eine Vermehrung der gesetzgeberischen Aktivität der Bundesstaaten liegt für mich im Austausch und der wechselseitigen Beratung dieser untereinander, nicht in einer Rolle des Kongresses als Vorlagengeber.

  • Tatsächlich gab es ja bereits mehrere Versuche, eine Vertretungsgesetzgebung einzuführen. Recht ähnlich zu dem derzeitigen Vorschlag der Präsidentin war eine Initiative der Administration Grey und dessen Attorney Generel Mr. Hope, der ja mittlerweile auch wieder aktiv in der Politik mitmischt.


    Wenn es überhaupt eine Vertretungsgesetzgebung geben soll, halte ich von Zwang gegenüber den Bundesstaaten gar nichts. Vielmehr muss sich der Kongress bewusst sein, dass er sich mit einer möglichen Vertretungsgesetzgebung bereits ein Recht erschafft, dass in der ursprünglichen Verfassung von den Verfassungsvätern eben nicht eingeführt wurde. Was könnten die Gründe dafür sein? Vielleicht entscheidet sich ein Staatsparlament bewusst dafür, eine Frage nicht oder nur durch Rahmengesetze zu regeln. Vielleicht ist einfach die politische Mehrheit in dem entsprechenden Bundesstaat anders, als im Kongress. So würde sich Laurentiana sicherlich dagegen wehren, wenn ein Gesetz verabschiedet würde, dass das Recht Waffen zu tragen verbietet. In Freeland würde das wiederum begrüßt. Andersherum würden die liberalen Freelander sich beschweren, wenn der legale Verkauf von Marihuana bundesweit verboten werden würde, was die Laurentianer wiederum feiern würden.


    Das ist zu respektieren, auch wenn es uns vielleicht nicht gefällt. Solange die politischen und gesellschaftlichen Mehrheiten es nicht hergeben, sollte der Kongress ein Teufel tun und versuchen, die politischen Mehrheiten vor Ort auszuhebeln versuchen.


    Grundsätzlich kann und sollte es daher nur über eine freiwillige Lösung gehen, indem jeder Staat für sich entscheidet, ob er ein bestimmtes Vertretungsgesetz haben will oder nicht. Alles andere würde dem Geist unserer Verfassung widersprechen. Denn ebenso wie Menschen unterschiedlich sind, sind auch die Staaten unterschiedlich, die sich in den Vereinigten Staaten vereinigt haben.

  • Den Ausführungen der Senatorin für Serena kann ich mich im Wesentlichen nur anschließen.


    Und ich möchte auf folgende Gegebenheit hinweisen: Schon jetzt kann der Kongress jederzeit eine Resolution beschließen, die den Parlamenten der Bundesstaaten empfiehlt, sich mit einer bestimmten ihrer Gesetzgebungskompetenz unterliegenden Materie zu befassen, diese inhaltlich auf eine konkrete Weise zu regeln, oder einen der Resolution angehängten Gesetzentwurf zu beschließen.


    Die Parlamente der Bundesstaaten sind dabei aber völlig frei, ob und in welcher Form sie diese Empfehlung aufgreifen, oder ob sie sie schlicht ignorieren, ohne dass das irgendwas am geltenden Recht ihres jeweiligen Bundesstaates ändert. Und genau so hat es auch zu sein.


    Ich würde ein Mehr an Austausch - sowohl zwischen Bund und Bundesstaaten, als auch zwischen den Bundesstaaten untereinander - jederzeit begrüßen. Und ich hielte es sicherlich für wünschenswert, wenn in den Bundesstaaten Rat- und Vorschläge von außen als freundliche Unterstützungsangebote, nicht böswillige Einmischung verstanden würden. (Ich habe da vor Ewigkeiten mal einschlägige Erfahrungen gemacht, als ich New Alcantara aus einer Verfassungskrise heraushelfen wollte.)


    Aber ich hielte es für keinen irgendwie gangbaren Weg, dass der Kongress Gesetze für die Bundesstaaten beschließt, die diese erst aufwändig ändern oder aufheben müssen, wenn sie sie nicht, oder nicht in dieser Form wollen.

  • Eine engere Abstimmung zwischen Bund und Ländern wäre sicherlich wünschenswert und die optimalste Lösung. Nur halte ich das für mindestens genauso schwierig realisierbar. Wenn der Kongress, nach dem Vorschlag von Senator Stackhouse, eine Resolution verabschiedet, die den Staaten rät eine gesetzliche Regelung zu erlassen wird das eben diese im schlechtesten Fall überhaupt nicht interessieren. Wenn das ganze im Rahmen einer Vertretungsgesetzgebung geschieht, haben die Staaten zumindest die "Pflicht" sich dem Angebot zu widmen und es in ihrem Parlament zu behandeln. Natürlich kann es die Staaten ärgern, wenn da ein Thema kommt, das ihnen partout nicht gefällt, oder das sie komplett anders, bzw. gar nicht regeln möchten.


    Ms. Stackhouse mag der Meinung sein, dass es kein gangbarer Weg ist, wenn die staaten so ein unliebsames Vertretungsgesetz erst wieder aufwändig außer Kraft setzen oder abändern müssen. Ich finde aber diesen Aufwand für die USA immer noch besser, als wenn weiterhin bei manchen Materien gar nichts passiert. Politische Aktivität ist immer erstmal besser als Stillstand. Ob nun aufwändig oder nicht ;)

  • Und eben das halte ich in einem föderalen Staat für unerträglich: Dass das Parlament des Gesamtstaates die Parlamente der Gliedstaaten "verpflichtet", sich mit etwas zu befassen. Es liefe auf genau das hinaus, was ich bereits als mögliches Szenario in Folge einer Vertretungsgesetzgebung skizziert habe: Der Kongress bestimmt effektiv die Agenden der Parlamente der Bundesstaaten. Das kann und darf nicht sein.


    Die Bundesstaaten sind innerhalb der durch die Verfassung gezogenen Grenzen selbstständige und souveräne Staaten, keine "Unterabteilungen" des Bundes, die unter dessen Aufsicht und nach dessen Anweisungen handeln. Genau dazu würde eine Vertretungsgesetzgebung, mit erstens der Pflicht, sich mit vom Kongress beschlossenen Gesetzen zu befassen, und zweitens möglicherweise sogar limitierten Möglichkeiten, diese zu ändern oder aufzuheben, sie aber machen.


    Dem Kongress steht es jederzeit frei, sich mit jeder politischen Materie, die in die Gesetzgebungszuständigkeit der Bundesstaaten fällt, zu befassen. Und im Ergebnis jede Empfehlung an die Bundesstaaten zu richten - davon, sich überhaupt mit irgendeinem Thema zu befassen darüber, eine bestimmte Regelung zu treffen bis dahin, einen konkreten Gesetzentwurf zu verabschieden.


    Und wenn ein Bundesstaat das trotz aller zum Thema im Kongress wie eventuell begleitend dazu in der bundesweiten Öffentlichkeit diskutierten Gründe ganz einfach nicht will - damit man sich der Dimension dieses Nichtwollens einmal ganz und gar bewusst wird: Wenn kein einziges Mitglied des Parlaments eines Bundesstaates über die Sache auch nur diskutieren will - dann hat der Bund das schlicht so hinzunehmen.


    Genauso wie auch die Bundesstaaten es schlicht hinzunehmen haben, wenn der Bund auf einem seiner Gesetzgebungskompetenz unterliegenden Gebiet keine, oder nicht die von einigen von ihnen gewünschte Regelung trifft.


    Exakt das bezweckt ja unter anderem die vertikale Gewaltenteilung: Bund und Bundesstaaten handeln auf den Gebieten ihrer Zuständigkeiten unabhängig voneinander, jeder nach seinem Ermessen und politischen Willen. Und müssen dabei keineswegs immer damit einverstanden sein, was die jeweils andere Ebene tut oder lässt.


    Dass Vertretungsgesetze die gesetzgeberische Tätigkeit in den Bundesstaaten fördern würden, ist nur eine Theorie. Ebenso wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist die Gefahr, dass Vertretungsgesetze bloß zu einer Unitarisierung des Rechts auf den der Regelung durch die Bundesstaaten obliegenden Gebieten führen, und Astor durch die Hintertür zu einem mehr oder weniger Zentralstaat machen würden.


    Es gibt bislang keinerlei Erfahrungen, die belegen würden, dass erstens legislative Anregungen des Kongresses an die Parlamente der Bundesstaaten deren Arbeit verbessern, und zweitens diese ihre Wirkung aber nicht voll entfalten können, weil die Bundesstaaten nicht kooperativ genug sind.


    Ich erkenne schon deshalb wirklich keinerlei Grund, hier sofort den Holzhammer auszupacken, und die Parlamente der Bundesstaaten rigoros an das Gängelband des Kongresses zu legen.

  • Von einem Holzhammer würde ich kaum sprechen wollen, solange die Letztentscheidung bei den Staaten liegt. Sie werden ja nicht gezwungen ein Gesetz zu übernehmen, das sie nicht mögen. Sie haben immer die Wahl.


    Die förderale Struktur in Astor ist eine wichtige Tradition unserer Nation. Aber es täte nicht schlecht den Föderalismus auch etwas kritischer zu betrachten, denn dass er Mängel aufzeigt scheinen ja einige auch so zu sehen. Ich gebe zu eher unitarisch ausgerichtet zu sein, weil die Bundesebene über die letzten Jahre bewiesen hat, dass sie aufgrund der Professionalisierung besser in der Lage ist ihre Kompetenzen zu nutzen und auszufüllen.


    Zitat

    Und wenn ein Bundesstaat das trotz aller zum Thema im Kongress wie eventuell begleitend dazu in der bundesweiten Öffentlichkeit diskutierten Gründe ganz einfach nicht will - damit man sich der Dimension dieses Nichtwollens einmal ganz und gar bewusst wird: Wenn kein einziges Mitglied des Parlaments eines Bundesstaates über die Sache auch nur diskutieren will - dann hat der Bund das schlicht so hinzunehmen.


    Momentan hat der Bund das hinzunehmen, aber das sollte nicht der richtige Weg sein. Wir leben vom politischen Diskurs, auch wenn es Themen sind, die manche vielleicht nicht diskutieren wollen. Wieso sollte die politische Ebene, die wohl (leider) besser in der Lage ist politisch zu gestalten nicht eine Führungsfunktion übernehmen und auf die Gliedstaaten einwirken dürfen? Es wird ja niemand zu irgendwas gezwungen, es wird nur angetrieben. Ob es damit zu einer Unitarisierung des Rechts kommen würde liegt in der Hand der bundesstaatlichen Legislativen.


    Ich empfinde die Gefahren als übertrieben dargestellt, zumal ich nicht davon ausgehe, dass der Kongress übermäßigen Gebrauch von diesem Recht machen würde. Wir sind uns ja alle der Sensibilität dieses Themas bewusst.

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