Hamilton Medical School (HMS) | Prof. Dr. Stürmer

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 508 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kevin Stürmer.

  • Sehr geehrte Damen und Herren,


    zunächst einmal darf ich ihnen für ihr Erscheinen danken. Insbesondere danke ich ihnen im Namen derer, deren Leben Sie mit dem Wissen das sie hier erwerben werden retten werden.


    Um gleich zum Thema zu kommen. Ich werde ihnen im Rahmen dieser Veranstaltung dabei helfen auf dem Weg zur Göttlichkeit einen großen Schritt vorwärts zu gehen. Wie meine ich das? Ganz einfach: Diese Vorlesung hat das Ziel sie mit dem nötigen Wissen auszustatten um im Ernstfall der Unterschied zwischen Leben und Tod zu sein.


    Tatsächlich kann es jeden treffen - immer und überall. Ob sie gerade mit ihren Freunden, ihrer Familie Baseball, Basketball oder Fußball an einem warmen Sommertag spielen oder möglicherweise auch nur rein zufällig beim morgendlichen oder abendlichen Jogging im Park unterwegs sind spielt dabei keine Rolle. Denn von all diese erwähnten Tätigkeiten sind - ohne dem Sport als solches seinen prinzipiellen Nutzen in der Vermeidung der Entstehung von beispielsweise kardiovaskulären Erkrankungen bzw. eines metabolischen Syndroms (hiermit sollen insbesondere die beiden klassischen Vertreter der auch als sogenannte Wohlstandskrankheiten bezeichneten Pathologien, deren Erscheinungsformen gemeinhin auch als physische also sich in erster Linie körperlich manifestierende Erkrankungen klassifiziert werden, beispielhaft hervorgehoben werden) absprechen zu wollen, welche in einer Gesellschaft, in der das Überangebot an hochkalorischen Nahrungsmitteln ebenso wie ein beträchtlicher psychischer und auch körperlicher Stress, der durch die in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zunehmenden beruflichen und soziokulturellen Anforderungen, denen wir uns aussetzen, um dem von Medien und gesellschaftspolitischem Establishment zum Volkstraum stilisierten Ideal von einem finanziell abgesicherten Leben, näher zu kommen (wodurch es allerdings im gleichen Zuge immer schwieriger wird zeitliche Kapazitäten für einen Ausgleich durch regelmäßige körperliche Betüchtigung zu erübrigen), längst zu manifesten gesamtgesellschaftlichen und gleichermaßen auch (durch die dadurch entstandene Notwendigkeit staatlicher Unterstützung um die individuellen Folgen abzudämpfen) staatsökonomischen Belastungen herangewachsen sind, deren Ausmaße dazu im Stande sind in Zukunft, wenn nicht sogar schon in Ansätzen zum gegenwärtigen Zeitpunkt, die gesamtgesellschaftliche Einheit sowie den sozialen Frieden in den betroffenen Nationalstaaten erheblich zu gefährden - geht die Gefahr aus, insbesondere im Zusammenwirken mit anderen, oftmals im Rahmen der üblichen Standarddiagnostik nicht- und häufig nur sehr schwer-erkennbaren pathologischen Veränderungen des Herzens, eine plötzlich und ohne erhebliche Vorzeichen einsetzende, im Resultat dann aber akut lebensbedrohliche und nicht selten gar tödliche, Komplikation hervorzurufen.


    Beginnen wir mit einem Beispiel, das ich ihnen gerne in Form eines kleinen Films bildhaft vor Augen führen will. Da ich selbst seit dem Jahr 2012 Trainer eines hochklassigen Fußballvereins, namentlich des AC Tiezzo - einem der erfolgreichsten Fußballvereine des Medianischen Imperiums - bin, habe ich exemplarisch für die im weiteren Verlauf der Veranstaltung zu bearbeitende Materie, die Aufzeichnung eines gleicherweise dramatischen wie auch bestürzenden Vorfalls zum Zweck der bildhaften Veranschaulichung auserlesen, die ihnen an dieser Stelle die faktische Realität der von uns zu erörternden hochakuten Pathologie sowie die damit einhergehende lebenspraktische Essenz der sachgerechten Durchführung der erforderlichen Gegenmaßnahmen, klarlegen soll.


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    Wovon wir in diesem Ausschnitt gewahr werden, ist neben der in Bild und Ton dargebotenen dramatischen Komponente, nun nicht zuletzt auch ein überaus ernstzunehmender medizinisch zu analysierender Casus. Um den Inhalt nun zunächst noch einmal auf die für unsere Fallanalyse wesentlichen Kernaspekte verdichtet zusammenzufassen: Im Fokus der Analyse steht der 24-jährige Stürmer der Gastmannschaft mit der Rückennummer 29, Miklos Feher, der zuvor in der 60. Spielminute, trotz einer noch nicht vollständig ausgeheilten Erkältung (vermutlich handelte es dabei sich um einen unkomplizierten grippalen Atemwegsinfekt) eingewechselt worden war. Nachdem seine Mannschaft in der 90. Minute mit 1-0 in Führung gegangen war, wird er wegen vorsätzlicher Spielverzögerung vom Schiedsrichter verwarnt. Kurz darauf - in der 93. Spielminute - beginnt der Spieler sich auf seinen Knien abzustützen, woraufhin er in unmittelbarer zeitlicher Nähe - ohne erkennbare Einwirkung von Außen - in sich zusammensackt, und in der Folge regungslos auf dem Rasen liegen bleibt. Sogleich eilen Mitspieler zu ihm, um ihren leblos zu Boden liegenden Mannschaftskameraden in eine ausgesprochen dilettantisch ausgeführte stabile Seitenlage zu überführen. Es eilen die medizinischen Verantwortlichen auf das Spielfeld, über deren initiale Tätigkeiten aufgrund der Spielertraube, die sich um den regungslosen Spieler versammelt haben, keine eindeutige Aussage getroffen werden kann. In der 97. Spielminute zeigt die TV-Übertragung wie zwei weitere Hilfskräfte auf das Spielfeld eilen. Einer von Ihnen trägt eine Art Koffer bei sich, den man vermutlich als Reanimationsset (darin ist auch ein Defibrillator enthalten) identifizieren kann.


    Weiterer Verlauf: Zwar zeigt die Kamera anschließend überwiegend die Reaktionen der fassungslosen Mitspieler. Es ist allerdings zu erwähnen, dass Feher weiterhin vom Spielfeld mit einem Krankenwagen abtransportiert wird. Noch am gleichen Tag verkündete die Klinik, in die Feher nach dem Zusammenbruch eingeliefert werden sollte, dass alle unternommenen Bemühungen den Kreislauf des jungen Stürmers wiederherzustellen, erfolglos geblieben waren. Der Tod des 24-jährigen Angreifers trat noch auf dem Weg in besagte Klinik ein. Ursache: sudden cardiac death (im weiteren Verlauf mit SCD abgekürzt), sprich plötzlicher Herztod.


    Kevin Stürmer, Sc.D.
    Distinguished Visiting Professor of Medicine, Hamilton University Medical School



  • Nachdem wir jetzt also wissen worum es geht können wir nun damit beginnen die bis jetzt noch wenig wissenschaftliche Geschichtsstunde in ein Fakten-Feuerwerk zu überführen.


    Dass der plötzliche Herzl-Kreislaufstillstand (= Cardiac arrest) keine Erfindung von mir ist, dürfte sich ihnen spätestens seitdem sie die vorangegangene Videodokumentation aufmerksam verfolgt haben, erschlossen haben. Nun könnte man natürlich trotzdem meinen es handele sich da um einen Einzelfall von dem unsereins doch wohl ebenso wenig betroffen sein wird wie diejenigen die uns gegebenenfalls nahe stehen. Alle diejenigen, die dieser oder vergleichbarer Auffassung sind darf ich an dieser Stelle mit größtem Vergnügen aus ihrem Traum aufwecken. Epidemiologischen Studien aus dem Jahr 2001 zufolge ist SCD für etwa 15% der jährlichen Todesfälle verantwortlich. Männer haben gemäß der Studienlage ein Risiko von 12,3% im Laufe ihres Lebens vom SCD betroffen zu sein, wohingegen interessanterweise Frauen ein dreifach niedrigeres Risiko aufzeigen - nämlich ein Lebenszeitrisiko von nur 4,2%. Ich muss ihnen insofern vermutlich kaum vorrechnen, dass selbst in einer Population von 10 Männern, statistisch gesehen einer dabei ist, dem sie irgendwann mal das Leben durch die fachgerechte Anwendung einer CPR (cardiopulmonary resucitation bzw. Herz-Lungen-Wiederbelebung) retten können. Ihre Erfolgschancen sind allerdings insbesondere davon abhängig, wie viel Zeit zwischen dem Beginn des Kreislaufversagens und dem Beginn der Wiederbelebung verstreicht. Da es häufig aber nicht dazu kommt, dass Betroffene sofort nach Eintreten des Kreislaufversagens einer adäquaten Therapie zugeführt werden, liegen die Überlebensraten trotz erfolgter Behandlung immer noch nur bei rund 8%. Etwas höher sind die Überlebenschancen für Sportler, von denen etwa 15% einen plötzlichen Herztod überleben. Lassen sie sich von der etwas paradoxen Terminologie nicht verwirren; in der Tat spricht man, wenn ein Patient nachdem er einen plötzlichen Herztod erlitten hatte, erfolgreich reanimiert werden kann, auch von einem “überlebten plötzlichen Herztod”.


    Herzrhythmusstörungen und andere Herzerkrankungen wie Herzinfarkte oder auch Herzmuskelentzündungen gelten als Risikofaktoren für ein unerwartetes Herz-Kreislauf-Versagen. Bei Sportlern im Speziellen ist insbesondere der durch die habituelle Belastung des Herzens im Rahmen der sportlichen Tätigkeiten hervorgerufenen Hypertrophie des Herzmuskels (hypertrophe Kardiomyopathie), für die eine erbliche Komponente als Ursache nachgewiesen wurde, eine zentrale Bedeutung im Zusammenhang mit einem Herz-Kreislaufstillstand beizumessen. Alles in Allem sind die möglichen Ursachen, die dem akut lebensbedrohlichen Phänomen zugeordnet werden können allerdings vielfältig und im Detail auch zu komplex um sie hier alle zu erwähnen. Dieses Wissen hat außerdem auch eher eine theoretische Relevanz, da es sie in der Praxis im Grunde nicht interessiert, warum genau bzw. auf welchen exakten pathophysiologischen Mechanismen basierend die leblos vor ihnen liegende Person einen Kreislaufstillstand erlitten hat. Und ganz davon abgesehen bin ich auch weit davon entfernt ein kompetenter Experte für die Pathophysiologie von Herzkrankheiten zu sein.


    Von wirklichem Interesse ist dagegen die unverzügliche Durchführung der kardio-pulmonalen Reanimation und - sobald verfügbar - eine zeitnahe Defibrillation.


    Aber eins nach dem anderen. Bevor sie überhaupt anfangen können irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen stellt sich ihnen ja erstmal eine ganz andere Hürde in den Weg. Welche Bedingungen müssen denn eigentlich überhaupt erfüllt sein damit die Annahme, der bewusstlose Patient sei Opfer eines Herz-Kreislauf-Stillstandes geworden, zu rechtfertigen ist? Damit sie nun nicht diesen Saal verlassen um an jeder Straßenecke friedlich schlummernden Pennern mit ihren neu erworbenen Lebensrettungs-Skills den Brustkorb zu zertrümmern, gebe ich ihnen hierfür einige Empfehlungen die ihnen bei der Beurteilung der Lage behilflich sein werden.


    Zu aller erst muss die Bedingung erfüllt sein, dass es sich bei dem Patienten dessen Bedarf nach Reanimation ihrer Einschätzung nach fraglich ist um eine bewusstlose Person handelt. Wie unterscheiden sie jetzt zwischen einem schlafenden Penner und einem bewusstlosen Penner? Ohne auf die verschiedenen Formen der Bewusstlosigkeit näher eingehen zu wollen (insbesondere auch deswegen weil es ohnehin schwierig ist diese auf den Herz-Kreislaufstillstand zu übertragen), gibt es dennoch klare klinische Merkmale, die im Rahmen der Einschätzung der vitalen Bedrohung der Orientierung dienen.


    Erst einmal ist es als absolute Grundbedingung anzusehen dass ihr Patient nicht auf Ansprechen reagiert. Klar, jemand der sich mit ihnen unterhält kann nicht bewusstlos sein. Um weiterhin auszuschließen dass die fehlende Reaktion auf verbale Kontaktaufnahme nicht vielleicht ein Zeichen von Schüchternheit, Ignoranz oder Drogenkonsum ist, vergewissern sie sich indem sie den Patienten an den Schultern anpacken und schütteln. Gelingt es ihnen auch mit dieser Methode nicht eine Reaktion herbeizuführen, so sollten sie alarmiert sein. Eine solche Bewusstlosigkeit kann neben dem Herz-Kreislaufstillstand auch ein Indiz für eine Bewusstseinseinschränkung in Folge eines schweren Schädel-Hirn-Traumas (SHT) sein. Da einem SHT - insbesondere wenn es sich um ein schweres SHT handelt - eine massive mechanische Prellung des Gehirns (Contusio cerebri) infolge einer massiven Krafteinwirkung - etwa in Form eines Schlages, eines Sturzes aus beträchtlicher Höhe oder mit hoher Geschwindigkeit oder eines Aufpralls - meistens eine gut nachvollziehbare mechanische Krafteinwirkung auf den Schädel vorausgeht, ist insbesondere bei erkennbaren Zeichen die auf einen Unfall mit erheblicher Krafteinwirkung auf den Patienten hindeuten, auf weitere Verletzungen Rücksicht zu nehmen. Da derartige Ereignisse häufig nicht nur auf ein Organsystem beschränkte Schäden anrichten, ist insbesondere bei der Prüfung des Bewusstseinszustandes darauf zu achten, dass man beim “Schütteln” nicht bereits bestehenden Begleitverletzungen in ihrem Ausmaß Vorschub leistet. Einen weiteren gut nutzbaren Orientierungspunkt stellt darüber hinaus auch das Fehlen bzw. das Vorhandensein eines intakten Muskeltonus dar. Das bedeutet also: ist die Muskulatur der von ihnen - je nach Ausmaß der Begleitverletzungen - mehr oder weniger intensiv bewegten Person schlaff und führt die körperliche Reizung (durch das Schütteln) zudem keine erkennbare Reaktion herbei, so ist davon auszugehen dass ihr Untersuchungsobjekt bewusstlos ist. Bereits zu diesem Zeitpunkt sollten sie unverzüglich helfende Hände organisieren und in jedem Fall ärztliche Unterstützung herbeirufen.


    Es ist darauf zu achten, dass sie als Ersthelfer jedoch mit der weiteren Einschätzung der Atmungstätigkeit des Patienten fortfahren, und das Rufen von notfallmedizinischem Personal einer derjenigen Personen auftragen, die sich in ihrem Umfeld befinden. Denn wie ich bereits angesprochen habe ist in dieser Situation jede Sekunde wichtig. Und es ist von oberster Priorität eine zeitliche Verzögerung bis zum Beginn einer gegebenenfalls notwendigen Reanimation zu vermeiden.


    Ob nun allerdings eine kardiopulmonale Reanimation wirklich erforderlich ist, ist nun abhängig davon ob eine funktionierende Atemtätigkeit vorliegt. Wieder unter Beachtung sowie ggf Schonung möglicher Begleitverletzung beginnen sie die Prüfung der Atmung indem sie dafür sorgen dass die Atemwege des Patienten frei und durchgängig sind. Um dies fachgerecht zu tun, strecken sie den Hals des Patienten indem sie den Kopf nach hinten neigen bzw. das Kinn anheben. In dieser Position prüfen sie den Patienten auf das Vorhandensein einer Atemtätigkeit. Dabei ist auf Atembewegungen des Brustkorbes zu achten sowie durch Anlegen der Ohrmuschel an Mund und Nase sowie gegebenenfalls Brustkorb auf Atemgeräusche zu untersuchen. Ergibt ihre Prüfung ein Fehlen von Hinweisen, die eine normale Atmung anzeigen, so ist die Indikation für eine zügig zu beginnende CPR gegeben. Wichtig ist jedoch an dieser Stelle die exakte Unterscheidung von normaler Atmung und nicht normaler Atmung zu kennen. Unter einer nicht normalen Atmung im Sinne dieser Maßnahme versteht man neben einem kompletten Atemstillstand (also dem Erlöschen jeglicher Zeichen einer stattfindenden Atmungstätigkeit) auch das Vorliegen einer sogenannten Schnappatmung. Der Terminus “Schnappatmung” beschreibt eine Atmung, die aus einzelnen tiefen Atemzügen mit dazwischen liegenden langen Atempausen besteht. Hierbei handelt es sich tatsächlich sogar um einen Hinweis auf das Vorliegen eines Kreislaufstillstandes. Bei der Schnappatmung handelt es sich um reflektorische Kontraktionen des Zwerchfells, deren Auslöser der in der Folge des Kreislaufstillstandes hervorgerufene Sauerstoffmangel ist. Diese pathologische Atmungsform tritt 15-60 Sekunden nach dem Eintreten des Kreislaufstillstandes auf und ist damit nicht als normale Atmung im Sinne dieser Beurteilung zu identifizieren. Ist das Ergebnis der Prüfung der Atemtätigkeit nun als eine nicht normale Atmung, so ist es einmal essenziell den Notruf abzusetzen und das Vorliegen eines Herz-Kreislaufstillstandes zu übermitteln, woraufhin die Einsatzleitstelle bereits entsprechend reagieren und an den Ort des Geschehens medizinisches Personal, ausgerüstet mit einem Defibrillator, entsenden kann. Ist der Notruf alarmiert, beginnen sie mit der Herzdruckmassage.


    Kevin Stürmer, Sc.D.
    Distinguished Visiting Professor of Medicine, Hamilton University Medical School



    2 Mal editiert, zuletzt von Kevin Stürmer ()

  • Bevor wir mit der Technik der Herzdruckmassage fortfahren ordnen wir das was wir bisher besprochen haben erst einmal in den Gesamtzusammenhang ein. Insgesamt spricht man von der sogenannten Überlebenskette und meint damit die chronologische Abfolge bestimmter Maßnahmen die das Überleben des Patienten dessen Herz-Kreislauf-Versagen sie vermuten als Ziel haben. Zunächst hatten wir ja bislang insbesondere über den Algorithmus zur Einschätzung der Sachlage diskutiert, in dem die wichtigsten Maßnahmen die Überprüfung des Bewusstseinszustandes, das Rufen von Hilfe, und die Prüfung hinsichtlich einer regelrechten Atmungstätigkeit waren, deren Einzelheiten ich ja ausführlich vorgestellt hatte. Zusammengefasst sind diese Schritte auf der folgenden Abbildung, die das wiedergibt, was wir bislang erörtert haben. Jetzt muss ich dazu sagen dass diese Abbildung einer dionyschen Leitlinie entnommen ist und gegebenenfalls insofern nicht mit den US-Standards übereinstimmt als dass hier der Notruf nicht über die Rufnummer "112" erreichbar ist und insofern durch die hierzulande verwendete emergency telephone number "9-1-1" zu ersetzen ist.




    Auf den Schritt der in diesem Schema als letztes genannt wird werde ich gleich noch genauer zu sprechen kommen. Um allerdings noch einmal bildlich zu veranschaulichen was genau im Rahmen der Überprüfung der Reaktion sowie der Atemfunktion mit Überstrecken des Kopfes bzw. Anheben des Kinns gemeint ist gibts dazu auch nochmal eine schematische Abbildung, in der die korrekte Durchführung gezeigt wird.


    Zunächst mal eine Abbildung, in der auf die Anwendung körperlicher Reize und ansprechen des Patienten hin überprüft wird ob er Hinweise auf Bewusstsein wie zum Beispiel das Öffnen der Augen zeigt.



    Und dann noch die Öffnung der Atemwege durch Überstrecken des Kopfes und Anheben des Kinns. Dabei richtet der Ersthelfer seinen Blick auf den Thorax um regelmäßige Atemexkursionen zu entdecken. Man sollte sich auf jeden Fall zwar untersuchen ob Hinweise auf eine normale Atmungstätigkeit gegeben sind. Trotzdem sollte man für diesen Schritt nicht mehr als 10 Sekunden in Anspruch nehmen. Ist man sich unsicher ob der Patient eine normale Atmungstätigkeit aufweist oder ob er reanimationspflichtig zu behandeln ist so verfährt man analog der Maßnahmen bei Fehlen einer normalen Atmung.




    Und nochmals auf den Punkt gebracht: Keine Reaktion + keine Feststellbarkeit einer normalen Atmungsfunktion → Notruf absetzen + zeitnaher Beginn von Herzdruckmassage + Beatmung.


    Wie also deutlich wird handelt es sich bei dem was im Rahmen der Reanimationsmaßnahmen getan werden muss um zwei Aspekte. Einmal nämlich die Herzdruckmassage und zum anderen mit der Beatmung die Unterstützung der ebenfalls ausgefallenen Atemfunktion. Da insbesondere die Sauerstoffunterversorgung (Hypoxie) des Gewebes (allen voran ist dabei das Gehirn betroffen) in folge des zum Stillstand gekommenen Kreislaufs schnell zu Zelluntergang und irreversiblem Funktionsverlust führt ist bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand ein zeitnaher Beginn dieser Maßnahmen von höchster Priorität.


    Beginnen tun sie mit einem Zyklus der Herzdruckmassage und nicht mit einem Beatmungszyklus, da davon auszugehen ist dass sich in den Lungen noch restliche sauerstoffreiche Luft befindet, die zur Oxygenierung des Blutes in den Lungenkapillaren genutzt werden kann sobald ein Blutfluss wieder hergestellt wurde.


    Die Technik der Herzdruckmassage lässt sich folgendermaßen beschreiben. Sie werden merken dass eine fachgerechte Ausübung keineswegs ein Zuckerschlecken für den Ersthelfer sondern ganz im Gegenteil körperlich sowie geistig durchaus anspruchsvoll ist.


    Als erstes knien sie sich seitlich vom auf dem Rücken liegenden Patienten, beugen sich über ihn um mit ausgestreckten Armen beide Hände übereinander mittig auf dem Brustbein zu platzieren. Die Arme sind während des gesamten Zyklus gestreckt zu halten.
    Zur Ausführung der Thoraxkompressionen: die Kompressionstiefe sollte immer mindestens 5 cm betragen aber möglichst über 6 cm nicht hinaus gehen um einerseits zwar einen ausreichenden mechanischen Druck auf das Herz auszuülgt ben und dadurch das in ihm befindliche Blut in die Gefäßsysteme zu pressen aber andererseits die Wahrscheinlichkeit Rippenfrakturen hervorzurufen in Grenzen zu halten. Auf jede Kompression folgt eine vollstände Entlastung des Druckpunktes ohne ihn dabei jedoch zu verlassen. Das ganze wiederholen sie 30 mal mit einer Frequenz von 100 bis 120 Hz, also sprich jeweils immer ca. 2 Kompressionen pro Sekunde.




    Nach 30 Wiederholungen gemäß der genannten Technik folgen dann 2 Beatmungen (wenn verfügbar über die einen Beatmungsbeutel, und falls nicht) über Mund-zu-Mund-Beatmung. Dazu erst wieder die Atemwege durch Überstrecken des Kinns und Anheben des Kinns öffnen. Im gesamten Verlauf der Beatmung die Überstreckung des Kopfes aufrechterhalten indem mit einer Hand die Stirn in entsprechender Position hält. Mit derselben Hand halten sie die Nase des Beatmeten zu. Mit den Lippen umschließt der Ersthelfer dann den Mund des Patienten und führt diesem dann eine Sekunde lang Luft zu sodass eine deutliche Atembewegung des Thorax erkennbar ist (hierauf ist während der Beatmung zu achten → bei Beatmung die Brust im Blick behalten und auf Atembewegungen prüfen). Danach lässt der Ersthelfer den Patienten ausatmen, wobei eine Senkung des Thorax erkennbar ist und sobald die Exspiration beendet ist beginnt wiederholt er diesen Vorgang.




    Dieses Vorgehen ist auch dann weiterhin in der beschriebenen Art und Weise durchzuführen wenn die Beatmungsversuche nicht gelingen - das heißt wenn trotz der Beatmung keine Atembewegungen des Thorax erkennbar sind. Es folgen auf zwei Beatmungen also immer 30 Thoraxkompressionen mit einer Frequenz von 100-120/Minute. Diese Reihenfolge ist solange zu wiederholen bis sie durch die von ihnen alarmierten Rettungssanitäter übernommen werden können, der Patient reagiert oder der Ersthelfer erschöpft ist.


    Bestehen psychologische oder hygienische Hindernisse, die es dem Ersthelfer unmöglich machen eine Mund-zu-Mund Beatmung durchzuführen (beispielsweise aufgrund von Erbrochenem im Mund des Patienten) so kann dieser auch auf die Beatmung verzichten und stattdessen bis zum Eintreffen des Rettungswagens alleine die Herzdruckmassage mit einer Frequenz von 100/min und einer Drucktiefe von mindestens 5 cm ohne Unterbrechung durchführen. Sind die Atemwege offen, so kann auch durch alleinige Durchführung der Herzdruckmassage ein Atemminutenvolumen von 3l/min erreicht werden.


    Trifft das medizinische Fachpersonal dann ein, so werden durch dieses die Erweiterten Maßnahmen - der sogenannte Advanced-Life-Support (ALS) - der kardiopulmonalen Reanimation begonnen. Während der Basic-Life-Support, also die Basismaßnahmen die wir bisher ja besprochen haben (Erkennen eines Herz-Kreislaufzustandes, Absetzen eines Notrufs, Herzdruckmassage/Beatmungs-Zyklen) einschließt umfasst ALS neben der Herz-Lungen-Reanimation (CPR) bei dem die Beatmung bevorzugt durch einen Beatmungsbeutel durchgeführt wird, auch weitere Maßnahmen wie Defibrillation, Intubation (setzt allerdings erfahrenes Personal voraus) und Gabe von Medikamenten.


    Kevin Stürmer, Sc.D.
    Distinguished Visiting Professor of Medicine, Hamilton University Medical School



  • Einen kleinen Nachtrag noch zur Reanimation im Rahmen der Basismaßnahmen (BLS). Möglicherweise kann es sein dass ein automatisierter externer Defibrillator (AED), umgangssprachlich auch als Laiendefibrillator bezeichnet, zur Verfügung steht. Hierbei ist der Umfang der notwendigen Eigeninitiative des Laienhelfers abhängig vom entsprechenden Modell des Geräts, welches zur Verfügung steht. Grundvoraussetzung für die korrekte Arbeitsweise des AED ist das sachgemäße Anbringen der Elektroden. Ein Beispiel für einen solchen AED ist auf der folgenden Abbildung dargestellt.



    Diese Abbildung zeigt die zentralen Elemente, die für die Reanimation relevant sind. Zum einen den AED selbst, der dem dargestellten Köfferchen entspricht. Dort erfolgt die Analyse des detektierten Herzrhythmus durch eine einprogrammierte Software, die dazu in der Lage ist die Informationen insofern auszuwerten als dass nun defibrillierbare von nicht-defibrillierbaren Rhytmen vom Gerät voneinander unterschieden werden können. Zum anderen die beiden (zunächst noch verpackten) Klebeelektroden (auch Fast-Patches genannt), die über entsprechende Kabel mit dem AED verbunden sind. Dabei ist es mittlerweile Standard, dass die Kabel der Elektroden bereits mit dem AED verbunden sind (=Vorkonnektion). Zu der Frage wann Herzrhythmus nun als defibrillierbar oder nicht-defibrillierbar gilt, werde ich später noch einige Erläuterungen geben. Bei der Benutzung des AED ist diese Frage prinzipiell aber nicht erheblich, da das Gerät diese Bewertung übernimmt.


    Von praktischer Bedeutung ist jedoch zunächst das korrekte Anbringen der Elektroden. Dafür gilt prinzipiell, dass eine Elektrode unterhalb des rechten Schlüsselbeins und die zweite unterhalb der linken Achselhöhle anzubringen ist, wie die folgende Abbildung noch einmal anschaulich zeigt



    Da die Elektroden natürlich in ihrer Polarität verschieden sind, ist es für die Funktionsweise des AED notwendig, dass sie an der für sie vorgesehenen Stelle angebracht und nicht etwa miteinander vertauscht werden. Aus diesem Grund sind auf der Verpackung der Elektroden ebenso wie auf den Elektroden selbst die jeweiligen Aufklebepositionen abgebildet.



    Sind die Elektroden richtig platziert und das Gerät funktionstüchtig, so wird es nun damit beginnen die über die Sensoren ermittelten Daten, die Aufschluss über den Herzrhythmus geben, auszuwerten. Erkennt das Gerät einen defibrillierbaren Rhythmus so gibt es die Defibrillation frei. Je nachdem ob es sich um ein voll- oder halbautomatisches Modell handelt, ist es notwendig (halbautomatisch) bzw. nicht notwendig (vollautomatisch) die Schockgabe über eine Taste manuell auszulösen. Wird bei den halbhautomatischen Geräten die Schocktaste innerhalb eines definierten Zeitraumes betätigt, so gibt es über die angeschlossenen Elektroden den Elektroschock ab. Vollautomatische AEDs hingegen schocken den Patienten eigenständig. Um die sichere und vor allem leitliniengerechte Verwendung des AED umsetzen zu können, ist es notwendig sich den entsprechenden Algorithmus im Detail einzuprägen.



    AED-Algorithmus


    Bis zur Fixierung der Klebeelektroden und Einschalten des AED ist mit den Maßnahmen der Basisreanimation (Thoraxkompression/Beatmung → 30/2) fortzufahren. Sobald das Gerät eingeschaltet ist, fordert es sie per Sprachanweisung dazu auf die Reanimation zu pausieren (damit die Messung des Herzrhythmus nicht beeinträchtig wird) um die Analyse der Herzfrequenz durchzuführen. Die Thoraxkompression/Beatmung muss für den entsprechenden Zeitraum (bis zu 10 Sekunden) unterbrochen werden. Wird vom AED dabei ein defibrillierbarer Rhythmus erkannt, so wird von dem Gerät eine einprogrammierte Schockenergie errechnet, worauf sich eine Ladephase anschließt. Diese Ladephase des AED kann durch Thoraxkompressionen (ohne Beatmung) überbrückt werden bis das Gerät schockbereit ist (Schockbereitschaft wird durch einen Signalton angezeigt). Der Ersthelfer kann dann (beim halbautomatischen AED) durch Knopfdruck die Schockabgabe erfolgen lassen, hat dabei allerdings darauf zu achten dass weder er noch ein zweiter Helfer im Augenblick der Schockabgabe mit den Patienten in Berührung kommen. Sofort nach Schockabgabe sind Thoraxkompression/Beatmung (30:2) wieder aufzunehmen, bevor nach 2 Minuten die Rhythmusanalyse erneut vorgenommen wird. Das Gerät teilt ihnen das zum entsprechenden Zeitpunkt mit (Sprachwarnung: Patienten nicht berühren). Ebenfalls wird ihnen mitgeteilt (Ansage: Kein Schock empfohlen) wenn der AED einen nicht-defibrillierbaren Rhythmus erkennt. Ist dies der Fall, so ist die Reanimation mit Thoraxkompression/Beatmung (30:2) für weitere 2 Minuten (bis zur nächsten Herzrhythmusanalyse) fortzusetzen.


    Der beschriebene Ablauf wird so lange wiederholt bis ein sicher perfundierender Rhythmus festgestellt wird. Von einem "sicher perfundierenden Rhythmus" spricht man dann, wenn sich auch ohne Herzdruckmassage sicher feststellbare Pulse tasten lassen.


    Dieses Schema fasst die Abläufe des AED-Algorithmus zusammen:




    Da in Fällen von Herz-Kreislauf-Stillstand das Ergreifen sofortiger lebensrettender Maßnahmen im Sinne der Basisreanimation der wichtigste prognostische Einflussfaktor ist, muss angesichts von Ersthelferquoten bei Kreislaufstillstand von (einigen Studien zufolge) nur 10% angenommen werden müssen, werden auch immer wieder mögliche politische Maßnahmen diskutiert, mit denen man zu einer Verbesserung dieser Statistik beitragen könnte.


    Auch an öffentlichen Orten, wie beispielsweise Schulen, Bahnhöfen oder Flughäfen werden immer häufiger sogenannte Public Access Defibrillators (PADs) verwendet. Da diese auch von Laienhelfern, also medizinisch minimal Qualifizierten verwendet werden können. Und weil Studien zufolge jede Minute die bei einem Patienten mit Herzstillstand, die ohne frühzeitige Defibrillation, verstreicht, seine Überlebenswahrscheinlichkeit um 10% sinken lässt, ist dieser Einsatz der besagten PADs insbesondere deswegen sinnvoll weil vom Zeitpunkt der Alarmierung bis zum Eintreffen des Medizinischen Fachpersonals in der Regel 5 bis 10 Minuten vergehen.


    Einen solchen Public Access Defibrillator sehen sie auf dem nächsten Bild.



    Kevin Stürmer, Sc.D.
    Distinguished Visiting Professor of Medicine, Hamilton University Medical School



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