[The Hamilton Globe] Astors Politik am Ende?

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  • Es ist nicht das erste Mal in der astorischen Geschichte, dass sich nur ein Ticket für die Präsidentschaftswahlen gefunden hat. Dennoch sind die Begleitumstände eine Offenbarung für die astorische Innenpolitik und besonders für unser Parteiensystem. Was den astorischen Parteien fehlt, ist vor allem der Mut zu politischen Alternativen. Dieser Kommentar wird sicher in vielen Teilen „simschwenisch“ sein. Wenn sie das stört: Sehr gut! Denn wenn wir wieder echten politischen Wettstreit wollen, dann brauchen wir Personen und Parteien, die eine unterschiedliche Vision von der Zukunft Astors entwickeln.

    Ein Kommentar von Prof. Howard Quincey


    Wirft man einen oberflächlichen Blick auf Astor, dann steht das Land nach wie vor sehr gut da. Dies gilt insbesondere im Vergleich mit vielen, einstmals stolzen Micronations. Die Bürgerzahl ist stabil, das Engagement ist es auf einem gewissen Niveau, wir haben ein ausgefeiltes System an Gesetzen und Verwaltung auch und viele bekannte Mängel, z.B. bei unbesetzten Ämtern, Aktivität in einzelnen Staaten oder „verschwindenden“ Amtsträgern sind so chronisch, dass wir sie als normale Unzulänglichkeit des Konzepts „Micronation“ akzeptiert haben, auf die man sich eben so gut es geht einstellen muss.


    Dennoch kann ich mich des Eindrucks nicht verwehren, dass die politische Landschaft in Astor unter der Oberfläche immer mehr an Dynamik verliert. Dass es bei den kommenden Wahlen nur ein Ticket gibt, ist für sich genommen beileibe noch kein Alarmsignal. Das gab es (leider) schon öfter in der astorischen Geschichte. Es ist dennoch bemerkenswert, welch leblose Parteienlandschaft sich derzeit dahinter verbirgt. Einige mögen daher das Ticket Varga/Taft als Ergebnis einer politischen Intrige verstehen, aber im Grunde – und das muss man positiv sehen – ist es ein überparteilicher Zusammenschluss von zwei Personen, die es machen wollen. Dazu hat sich in den etablierten Parteien niemand gefunden. Die Republikaner existieren schon seit Längerem nur noch als ein politisches Skelett dessen Zustand tatsächlich dramatischer ist, als in all den „normalen“ Phasen, in denen insbesondere die Demokraten und die GOP immer mal wieder im Auf- und Abschwung befanden. Und die Demokraten haben sich, nach einer gemäß den Maßstäben der jüngeren Zeit durchaus erfolgreichen Präsidentschaft, nicht für eine Alternative zusammenfinden können. Das die SCU es in den letzten Monaten noch nicht geschafft hat, sich als DIE dominante politische Kraft in Astor zu etablieren mag daran liegen, dass auf der vermeintlich rechten Seite des politischen Spektrums persönliche Kränkungen nachwirken, während sie in den Reihen der „Linken“ nach wie vor eher in dem Ruf steht, in weiten Teilen ein Sammelbecken für destruktive Schreihälse oder schlichtweg der Privatspielplatz des Varga-Clans zu sein. Man muss der SCU aber attestieren, dass sie derzeit die einzige „funktionierende“ politische Partei Astors ist. Von daher könnte man es auch als folgerichtig ansehen, dass sie die nächste Präsidentin stellt und wohl auch zumindest im Ansatz über die Ressourcen verfügt, die Regierung auch über die Person Varga hinaus zu betreiben.


    Nun ist es ja aber nicht so, dass es in Astor gar keine personellen Alternativen gäbe. Was es für die Parteien schwierig macht, ist die Blutleere, die mittlerweile Ihre Politik auszeichnet. Parteien sind in Astor derzeit keine politischen Strömungen mehr. Natürlich wird hier und da versucht, der eigenen Person oder Partei ein entsprechend „konservatives“ oder „linkes“ Profil zu geben, aber das ist am Ende doch oberflächlich und da ohnehin jeder schon mal irgendwo aktiv war, ist auch die 20. Debatte über die Todesstrafe nur noch ein lauwarmes Schaulaufen an der man sich mit der jeweiligen Sicht seiner betreffenden ID mit einem Zweizeiler beteiligt. Wenn unsere Parteien soetwas wie „politische Zusammenschlüsse“ sind, dann nur derart, als das Person A in Partei X ist, weil Person B in Partei Y ist und weil A den B nicht leiden kann. So gesehen beschränkt sich die politische Konfrontation darauf, dass A versucht zu verhindern, dass B Secretary, Richter oder Senator wird. Um das klar zu stellen: Das ist nicht per se etwas schlechtes: Ohne diese persönlichen Konflikte wäre die politische Auseinandersetzung schon längst gänzlich zum Erliegen gekommen. Entscheidend ist aber, dass es dafür keine Rolle spielt, ob A und B nun Demokraten oder Republikaner sind, bzw. sich möglicherweise in anderen Funktionen in sechs Monaten genau spiegelverkehrt gegenüberstehen.


    Ein Stück weit müssen wir damit sicherlich so oder so leben. Die derzeitige Politiker-Generation kennt sich seit Urzeiten und man weiß in etwa, wer von wem was zu erwarten hat, egal welches Parteibuch in der Jackentasche steckt. Ernsthafte Angriffe auf der Sach- bzw. Leistungsebene werden da auch schon deshalb schwierig, weil jeder der länger als ein Jahr dabei ist – und das ist die überwältigende Mehrheit – genug eigene Leichen im Keller hat, wenn es um Inaktivität, Amtsführung und auch Intrigen geht. Richtig ist auch, dass der Enthusiasmus der langjährigen Politiker eher einer nüchternen, technokratischen Haltung gewichen ist. Auch das ist nur zu gut verständlich, wenn man die veränderten Lebensumstände der handelnden Personen betrachtet. Wer will heute schon die Zeit investieren, stundenlang Grafiken und Texte für Wahlabende vorzubereiten. Auch Wahlkämpfe, selbst wenn sich der ein oder andere hier noch Mühe gibt, sind dann oft eine Pflichtübung, die sich auf das Herunterleiern von zur eigenen jeweiligen Persönlichkeit passenden Positionen beschränken.


    Dazu trägt bei, dass wir nach – man kann ja bald schon sagen Jahrzehnten – micronationaler Politik eine Art resigniertes Verhältnis zu den Umständen entwickelt haben, in der wir vieles was einmal als Mangel empfunden wurde als gegeben hinnehmen und Initiativen in eine andere Richtung eher als Idealismus belächeln „Haben andere schon versucht… hat nicht geklappt.“ „Mehr als 20 Aktive gibt es dauerhaft nicht“; „Wisim klappt nicht und lohnt nicht“; „Internationale Politik funktioniert nicht“; „Vizepräsidenten sind inaktiv“; „Bundesstaaten sind ohnehin chronisch unterbesetzt“; „Wahlen kann man eh auszählen“… um nur einige zu nennen. Leider spricht der Erfahrungswert ja auch für all diese Thesen. Dummerweise hat deren Manifestation den politischen Wettbewerb um Ideen für eine Weiterentwicklung der Micronations jeden Wind genommen. Daher lieber zurück zum Gewohnten und pünktlich drei Tage vor der Wahl schnell den Leierkasten anwerfen… In dieser Art des Politikstils des „Alternativlosen“ erinnert mich Astor fatal an den Regierungsstil eines fiktiven DU-ähnlichen Land mit einer weiblichen Kanzlerin.


    Nun möchte ich hier nicht in ein Lamentieren verfallen und schon gar nicht in eine „Früher war alles besser Rhetorik“. Die Begleitumstände sind eben andere und das ist legitim. Bisher haben es Astor und die Micronations aber nicht geschafft, sich darauf einzustellen. Das hat den allgemeinen Stillstand und die Nischenbildung aber eher noch gefördert. Andererseits könnte, ja müsste doch genau das der Ansatzpunkt sein, an dem astorische Politiker anfangen, tatsächlich Alternativen dafür zu entwerfen, wie Astors Zukunft gestaltet werden soll. Und genau solche Alternativen wären es doch, die von einer anderen Gruppe wiederum fundamental abgelehnt würden. Da könnte man ganz grundsätzlich mit der Frage anfangen, was Astor sein soll: Jurastor als feuchter Traum von Examanskandidaten in Staatsrecht? Die fleisch- oder naja, zumindest digital gewordene Version von House of Cards oder The West Wing? Oder doch lieber die Baukastenversion für Liebhaber des ersten SimCities auf SNES… Dazu gibt es unter den Bürgern dieses Landes durchaus sehr unterschiedliche Auffassungen. Sie sind nur kein wirklicher Gegenstand politischen Wettstreits mehr und schaffen es höchstens mal als Einwurf in das „simoff“ Forum.


    Man könnte auch ganz andere Grundsätze in Frage stellen: Wenn es ohnehin nur 20 aktive Bürger gibt und am Ende ohnehin jeder schon alles gemacht hat, muss dann wirklich jede Wahl den Willen genau dieser 20 Leute widerspiegeln? Oder ist es nicht denkbar auch andere Simulationssysteme zu wählen, bei denen Weg ins Amt und dessen Simulation das eigentlich Entscheidende ist? Müssen unsere Wahlen ablaufen wie ein Gang zum Bürgeramt – alle Formulare richtig ausfüllen und das Ergebnis kann man dann ableiten? Oder müssen wir wirklich so viele Ressourcen in die Simulation eines Justizsystems stecken? Brauchen wir eine Verwaltung, die Formalia höher gewichtet, als das Interesse an der „Durchführbarkeit“ und der Spannung? Diese Fragen mögen jetzt in ihrer Formulierung tendenziös klingen, aber es geht mir hier gar nicht darum, dass ich als Autor für irgendeine Reform werben möchte, sondern das wir aus genau solchen Fragen wieder klare politische Alternativen entwickeln, die für den Einen die Lösung aller Probleme Astors bedeuten während sie für den Anderen das größte Teufelszeug seit Dennis von Arabien und bestenfalls den Untergang des micronationalen Abendlandes darstellen. Erst dann werden politische Alternativen wieder zu Wahlalternativen. Denn jetzt ist klar, dass ich eine Person nicht wähle, weil sie in drei Reden ihre vermeintlich liberale oder konservative Gesinnung runterbetet, sondern nur als Ergebnis eines politischen Abzählreims.


    Insofern kann die Präsidentschaft Vargas ja wiederum durchaus Mut machen. Der Politikstil des Varga-Clans war ja schon seit jeher umstritten. Vielleicht ja die beste Voraussetzung für Neuausrichtung des astorischen Parteiensystems.

  • Guter Artikel!


    Meiner Meinung nach haben wir aber ein weiteres Problem hier in Astor. Wer seine Schäfchen in der Politik nicht ins Trockene bringt, ist ausgeschlossen. Nehmen wir einfach nur an die Demokraten oder die GOP hätten es geschafft ein Alternativ-Ticket zu stellen. Das würde aber auch heißen, dass diejenigen die das durchführen müssten ein Risiko eingehen würden.


    Es geht eben nicht gleichzeitig Wahlkampf um ein Governors-Amt und das White House zu machen. Wer da ein Risiko eingeht, verliert im schlimmsten Fall direkt all seine politischen Ämter.
    Das Risiko geht also niemand leichtfertig ein und schon gar nicht mit der (berechtigten?) Angst gegen einen populäreren Gegner zu verlieren.


    Die meisten hier spielen mit einer Haupt-ID und Side-IDs werden oft leider eher stiefmütterlich behandelt. Das merkt man daran, dass kurz vor Wahlen alle möglichen Side-ID reaktiviert werden. Seit Monaten kam kein Beitrag von diesen, aber zur Wahl sind sie plötzlich wieder aktiv. Ich persönlich finde es erstaunlich, dass so viele Side-IDs sogar die Parteimitgliedschaft der zugehörigen Federal-IDs kopieren. Das ist für mich weiterer Beleg dafür, dass ein Parteibuch durchaus eher nach der Strategie "Ihh den mag ich nicht, also geh ich woanders hin" gewählt wird. Daran kann man allerdings wenig machen, außer selbst vorleben, dass es durchaus geht mit diversen IDs in diversen Parteien zu sein. Tang und Singleton sind zwei dieser Kandidaten.


    Meine Schlussfolgerung ist, dass wir den außer-politischen Sektor wieder stärken müssen. Ich halte es für problematisch, wenn nahezu alle Aktivität sich in der Politik bündelt und Spieler, die kein Amt sind von diversen Aktivitäten damit automatisch ausgeschlossen sind. Es ist gut, dass wir kurze Wahlperioden haben, denn dann ist das Zeitfenster auch klein in denen Spieler "ausgeschlossen" sind. Aber es muss eben auch möglich sein ein erfülltes In-Sim leben außerhalb der Politik zu haben. Sonst besteht die Gefahr, dass sich die Regierung selbst regiert und damit das ganze System ad-absurdum geführt wird. Es muss mehr Simulationsmöglichkeiten und Anknüpfungspunkte geben, die explizit abseits der Politik liegen.


    In diesem Falle tut es dem Sergant nich so weh auch mal erfolglose Kandidatur anzustreben und Demokratie wirklich zu leben, denn er hat sein Bataillon in das er zurück kann wenn es nichts wird. Der Unternehmer hat noch immer seine Firma und der Lobbyist einen warmen Teller in der Kantine seines Arbeitgebers.

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