[United States War College] Vorlesung III: Die Gefechtsformen

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  • Kämpfe zwischen Verbänden der taktischen Stufe bezeichnet man als Gefechte. Wer sie führen will, muss Unterstellten ihr Verhalten im Gefecht befehlen können. Mit allgemeinen Formulierungen wie offensiv oder defensiv kommt man dabei nicht aus. Denn unter defensivem Verhalten kann beispielsweise Verharren an Ort und Stelle, aber auch langsames, systematisches und geordnetes Zurückweichen verstanden werden. Auch offensives Handeln kann verschiedene Formen annehmen. Das Verhalten eines Verbandes im Gefecht muss also begrifflich unterschiedlicher abgestuft werden. Nicht nur die Führung ist übrigens auf diese Differenzierung angewiesen, sondern auch die Ausbildung: Was im Kampf befohlen wird, muss im Frieden geübt werden können und deshalb als Begriff bekannt und ausführlich kommentiert sein.


    Führung und Ausbildung setzen also ein taktisches Instrumentarium voraus. Darum werden in allen Streitkräften bestimmte, für die Führung im Kampf als notwendig erachtete Verhaltensweisen als Gefechtsformen definiert. Zudem bestimmen taktische Vorschriften, wie man sich die Verwirklichung mit den vorhandenen Mitteln gegen einen möglichen Gegner in einer bestimmten Umwelt vorstellt. Dem Führer erlauben diese Gefechtsformen, komplexe Verhaltensweisen auf einfache Art zu befehlen. Für den Ausbildner sind sie Ausgangspunkt von Überlegungen zum Ausbildungsstoff.


    Nachstehend wir auf vier Gefechtsformen eingegangen: Angriff, Verteidigung, Verzögerung und Rückzug. Aber es soll nur beschrieben werden, was das Wesen dieser Gefechtsformen ausmacht. Also jene Merkmale, die grundsätzlich und damit unabhängig von den einzusetzenden Kampfmitteln gültig sind. Dass nicht vollständig vom allgemeinen Stand der Kriegstechnik argumentiert werden kann, ist selbstverständlich.

    Joshua Lawrence Chamberlain
    Former Secretary of State & Secretary of Defense
    Ret. General United States Army
    Former Chairman der Joint Chiefs of Staff

  • Wer angreift, will entweder Gegner vernichten oder Gelände in Besitz nehmen.


    Geht es um die Vernichtung des Gegners, zählen für den Erfolg in erster Linie die Verluste auf der Gegenseite. Bezweckt der Angriff nicht die Vernichtung des Gegners, sondern Geländegewinn, spielen die dem Gegner beigefügten Verluste für die Endabrechnung eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist, dass Gelände gewonnen ist.


    Dieser Unterschied spielt taktisch eine wesentliche Rolle. Sollen gegnerische Kräfte vernichtet werden, geht es darum, eine Lage herbeizuführen, in der man dem Gegner im Feuerkampf überlegen ist. Das Gelände ist dazu bloss Mittel zum Zweck. Wo der Gegner vernichtet wird, ist unwichtig. Es ist sogar denkbar, dass man nicht einmal eigene Kampfmittel verschieben muss, um zu vernichten. Und wenn der Gegner vernichtet ist, kann der Verband für eine andere Aufgabe eingesetzt werden.


    Wer Gelände in Besitz nehmen will, muss zweifellos auch Gegner vernichten. Aber er hat noch mehr zu tun: Gelände physisch in Besitz nehmen. In der Regel bedeutet das, schrittweise einen Abschnitt nach dem anderen zu erobern, nicht selten auch im Nahkampf. Und wenn das Gelände erobert ist, muss es in vielen Fällen gehalten werden. Der ganze eingesetzte Verband oder Teile davon stehen vorläufig nicht mehr für andere Aufgaben zur Verfügung.


    Das taktische Ziel der beiden Angriffe ist also verschieden. Vorgehen und materieller und zeitlicher Aufwand können nicht gleich sein. Wer angreifen will, muss deshalb als erstes die Frage beantworten, ob er mit dem Angriff Gegner vernichten oder Gelände in Besitz nehmen will. Bleibt diese Frage unbeantwortet, ist das Ziel des Angriffs unklar. Zielstrebiges, kraftvolles Handeln ist dann unmöglich.

    Joshua Lawrence Chamberlain
    Former Secretary of State & Secretary of Defense
    Ret. General United States Army
    Former Chairman der Joint Chiefs of Staff

  • Gegner mit einem Angriff vernichten heisst, ihn so stark schwächen, dass er taktisch handlungsunfähig wird.


    Nicht immer braucht es dazu einen eigentlichen Angriff. Kann das Ziel aufgeklärt werden, zum Beispiel mit Drohnen, und stehen weitreichende und treffsichere Kampfmittel zur Verfügung, ist es nicht nötig, den Gegner mit einem Kampfverband aufzusuchen, um ihn zu vernichten. Mit konventionellen Mitteln können bei diesem Vorgehen allerdings nur kleinere Ziele wie beispielsweise Schiffe vernichtet werden, aber immerhin. Und bei genügend grossem Einsatz solcher weitreichenden und treffsicheren Waffen können entsprechend auch viele kleinere Ziele gleichzeitig oder nacheinander vernichtet werden.


    Es ist also möglich, den Gegner mit Feuer allein – ohne vorausgehende Bewegung – zu vernichten.


    Das Verfahren ist taktisch wenig anspruchsvoll, weil keine Verbände in Raum und Zeit zu koordinieren sind, und das Verfahren ist in vielen Fällen auch schnell. Wer die dazu notwendigen Mittel besitzt, sollte anstreben, den Gegner auf diese Art zu vernichten. Er riskiert kein eigenes Menschenleben, und ganz allgemein ist das Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen sehr günstig.


    Häufig muss der Gegner mit einem Kampfverband aufgesucht und danach vernichtet werden. Die Zusammensetzung eines solchen Verbandes hat sich nach der Aufgabe – die Vernichtung eines bestimmten Gegners – zu richten. Auch mögliche Probleme während der vorausgehenden Bewegung sind für die Organisation des Verbandes zu berücksichtigen. Aber entscheidend ist, einen Verband einzusetzen, der aufgrund der Wirkung und Reichweite seiner Mittel schliesslich in der Lage ist, den eigentlichen Auftrag zu erfüllen. Dazu gehört auch die Überlegenheit im Feuerkampf. Gegen einen gedeckten, sich in Feldbefestigungen oder Häusern befindenden Gegner ist sie nur schwer zu erzielen. Zu gering ist die Wirkung des Feuers. Anzustreben ist deshalb, Gegner ausserhalb von Deckungen zu vernichten. Zum Beispiel in der Bewegung. Gelingt es dabei, den Gegner zu überfallen, braucht es zur Vernichtung zahlenmässig nicht überlegene Kräfte. Die Überraschung gleicht fehlende Kampfmittel aus und ist somit in erster Linie vom zahlenmässig Unterlegenen anzustreben.


    Die Waage neigt sich noch eindeutiger zugunsten des Angreifers, wenn es ihm gelingt, den Gegner in einem für die nachfolgende Gegenwehr ungünstigen, beispielsweise deckungslosen Gelände zu überraschen. In solchen Fällen können sogar zahlenmässig unterlegene Kräfte das Gefecht gewinnen. Vorausgesetzt selbstverständlich, dass sie nicht in Kämpfe verwickelt werden, bevor sie ihre eigentliche Aufgabe in Angriff nehmen und fristgerecht zum Einsatz gelangen.


    Kampflose und rasche Annäherung an den Gegner und ein überfallartig und kraftvoll geführter Feuerkampf sind die beiden wesentlichen Merkmale eines Angriffs, der vernichten, aber nicht Gelände in Besitz nehmen soll. Es braucht dazu zahlenmässig nicht überlegene Kräfte. Und nach gelungener Aktion können sie für andere Aufgaben eingesetzt werden.


    Die Dauer des Angriffs wird entscheidend vom ersten Feuerkampf bestimmt: kann dieser mit grosser Überlegenheit geführt werden, ist die Dauer des Angriffs kurz. Gelingt das nicht, sind Bewegungen notwendig, um den Gegner aus einer anderen Richtung anzugreifen. Die Gefahr besteht, dass das eigentliche Ziel des Angriffs – die Vernichtung des Gegners – mit zu hohen eigenen Verlusten, nicht innert nützlicher Frist oder überhaupt nicht erreicht wird. Deshalb sollte schon der erste Schlag gegen den Gegner die Entscheidung bringen. Der Gegner ist deshalb in einer möglichst wehrlosen Lage anzugreifen: wenn er sich in für ihn ungünstigem Gelände befindet und überrascht werden kann.

    Joshua Lawrence Chamberlain
    Former Secretary of State & Secretary of Defense
    Ret. General United States Army
    Former Chairman der Joint Chiefs of Staff

  • Gelände in Besitz zu nehmen bedeutet, eine gegnerische Aufstellung anzugreifen, den Gegner zu schwächen und ihn zu zwingen, Gelände aufzugeben.


    Wieviel Kräfte es dazu braucht, hängt wesentlich von der Vorbereitung der gegnerischen Verteidigung ab. Ist sie schlecht, führt vielleicht schon entschlossenes Handeln mit schwachen Kräften zum Erfolg. Muss eine gründlich vorbereitete Verteidigungsaufstellung angegriffen werden, ist anders vorzugehen. In diesem Fall sind für den Stoss in die gegnerische Aufstellung möglichst günstige Voraussetzungen zu schaffen, indem in einer ersten Phase, noch vor dem eigentlichen Angriff, durch Feuer möglichst viele Waffensysteme des Gegners ausser Gefecht gesetzt werden. Aber auch wenn das gelingen sollte, ist der Verteidiger noch immer im Vorteil: Er konnte das Gelände wählen, um das gekämpft wird, und er kennt es besser als der Angreifer; der Verteidiger war auch in der Lage, seine Reaktionen auf den gegnerischen Angriff vorzubereiten und wird mehrheitlich aus geschützten oder doch getarnten Stellungen kämpfen.


    Der Angreifer hat nur den Vorteil, den Angriffsort und die Angriffszeit bestimmen zu können. Er muss diese gesamthaft schlechten Voraussetzungen ausgleichen, indem er den Schwachpunkt des Gegners sucht und dort seine Kräfte für den Angriff konzentriert. Auf diese Weise gewinnt er die Feuerüberlegenheit. Aber die Kampfkraft eines Verbandes wird nicht bloss von den Kampfmitteln bestimmt. Ebenso grosse Bedeutung kann beispielsweise die Qualität der Führer oder der Ausbildungsstand der Truppe haben. Alles zählt auf der Waage, mit der Kampfkraft gemessen wird, und nicht selten gibt gerade der Mensch, der die Kampfmittel einsetzt, den Ausschlag. Wie die Überlegenheit somit zustande kommt, ist unwichtig. Aber dort, wo der Angreifer die Entscheidung sucht, muss er überlegen sein.


    Kräfte sind auch auszuscheiden für Nebenaktionen wie Flankenschutz oder das vorübergehende Halten wichtiger Räume und sind bereitzuhalten, um neue Schwergewichte zu bilden. Schliesslich ist auch zu bedenken, dass nach dem endgültigen Erfolg gewonnes Gelände gegen mögliche Gegenangriffe zu halten ist, wenn diese Aufgabe nicht von nachfolgenden Verbänden übernommen wird. Einen Raum in Besitz zu nehmen, braucht also verhältnismässig viele Kräfte; sonst ist der Kampf bloss am Anfang, aber nicht auf Dauer erfolgreich zu führen.


    Bei Nacht anzugreifen ist schwierig, weil der Verteidiger unter besseren Voraussetzungen kämpft: es ist leichter, in bekanntem Gelände den Kampf ohne grosse Bewegungen zu führen, als Verbände im Angriff zu koordinieren und mit Feuer zu unterstützen. Es braucht auch weniger Mut, aus Stellungen zu verteidigen, als sich diesen in der Nacht zu nähern und den Nahkampf zu führen. Wer somit bei Nacht angreifen will, muss solche Nachteile wettmachen. Zum Beispiel durch Überraschung – der jedoch moderne Aufklärungsmittel enge Grenzen setzen – oder sehr hohe Feuerüberlegenheit und überlegenen Kampfwillen. Zwingende Voraussetzung für das Führen eines Nachtangriffs ist in jedem Fall ein hoher Ausbildungsstand von Führer und Truppe. Und wer den allgemeinen Grundsatz der Gefechtsführung „Einfachheit der Aktion“ nicht beachtet, programmiert Misserfolg.

    Joshua Lawrence Chamberlain
    Former Secretary of State & Secretary of Defense
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  • Verteidigen heisst, dem Gegner verwehren, einen bestimmten Raum in Besitz zu nehmen.


    Das bedeutet, dass die Initiative vorerst beim Angreifer liegt: Er bestimmt die Zeit und den Ort des Angriffs. Das erste vom Verteidiger zu lösende Problem ist somit, sich nicht überraschen zu lassen. Er hat folglich in jene Räume aufzuklären, aus denen ein Angriff geführt werden könnte. Die Verteidigung beginnt also mit Nachrichtenbeschaffung vor dem Angriff.


    Beginnt ein Angriff, kann der Verteidiger den Kampf sofort aufnehmen und versuchen, den Gegner am Einbrechen in den Verteidigungsraum zu hindern. Die Masse der Kampfmittel muss in diesem Fall vor den vorderen Rand des Verteidigungsraumes wirken, sonst können dem Gegner zuwenig Verluste beigefügt und ein Einbruch nicht verhindert werden. Gelingt es, den Gegner vor der Verteidigungsaufstellung so stark zu schwächen, dass er nicht weiter angreifen kann, ist die Aufgabe gelöst, und zwar auf taktisch sehr einfache Art. Aber so geführte Verteidigung ist gefährlich. Aufgrund der Erfahrung ist es möglich, in jede noch so gut vorbereitete Verteidigungsstellung einzubrechen. Zudem ist mit dem Einsatz von Luftlandetruppen zu rechnen.


    Der Verteidiger muss deshalb auch fähig sein, Gegner in der Tiefe des Raumes aufzufangen und nachher zu vernichten. Dazu fehlen ihm aber die Mittel, wenn die meisten seiner Kräfte im vorderen Teil seiner Aufstellung eingesetzt sind. Es ist darum in vielen Fällen naheliegend, einen Kompromiss zu schliessen: den Gegner vor dem Eindringen in die Verteidigungsaufstellung wohl bekämpfen, aber die meisten Kräfte in der Tiefe staffeln und einen Teil davon bereithalten, um den eingebrochenen Gegner zu vernichten.


    Verteidigung besteht somit in der Regel aus einem statischen und einem dynamischen Element. Dabei stellt sich die Frage nach der Stärke dieser Elemente. Die Antwort wird von der Aufgabe dieser Elemente beeinflusst. Insbesondere muss Klarheit herrschen, ob beim Einsatz des dynamischen Elementes Gelände wieder in Besitz genommen oder Gegner vernichtet werden soll. Aufwand und Zeitdauer sind verschieden, und wer Kräfte ausgibt, um Gelände wieder in Besitz zu bekommen, verliert sie mindestens vorübergehend als offensives Element.


    Wie der Entscheid auch ausfällt: Sicher ist, dass die Verteidigung mit statischen Elementen allein auf Dauer nicht erfolgreich geführt werden kann: Es braucht die aktive Komponente, die allein erlaubt, die Initiative zu ergreifen, dem Gegner den eigenen Willen aufzuzwingen und die Entscheidung herbeizuführen. Stärke und Zusammensetzung dieser aktiven Komponente haben der Wichtigkeit der Aufgabe zu entsprechen, und sie muss in taktisch unwichtigem Gelände für ihre Aufgabe bereitgestellt werden, damit sie vor ihrem Einsatz nicht in Kämpfe verwickelt wird und beim Verlust ihres Standortes nicht eine taktisch bedeutsame Lücke schafft.


    Einzusetzen ist die aktive Komponente, wenn für die Verteidigung des Raumes als unabdingbar beurteiltes Gelände verloren gegangen ist oder mit einem Gegenangriff gegnerische Kräfte vernichtet werden können, die in der Lage wären, das Erfüllen des eigenen Auftrages in Frage zu stellen.

    Joshua Lawrence Chamberlain
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  • Der Führer kann zur Verzögerung gezwungen werden: Wenn der angreifende Gegner so stark überlegen ist, dass eine Verteidigung chancenlos wäre, muss ihm ausgewichen und kämpfend Raum preisgegeben werden. Die Verzögerung bezweckt in diesem Fall, dem Gegner möglichst grossen Zeitverlust beizufügen.


    Aus freiem Entschluss ist zu verzögern, wenn ein Raum nicht verteidigt werden soll, aber doch Gründe bestehen, den Gegner nicht kampflos vorstossen zu lassen. So kann der Führer beispielsweise mit der Verzögerung bezwecken, Voraussetzungen für eine andere eigene Aktion zu schaffen. Der Verband ALPHA verzögert den Gegner, damit der Verband BRAVO ungestört den Raum CHARLIE erreichen kann.


    Zweck der Verzögerung kann auch sein, Zeit zu gewinnen. Beispielsweise verzögert der Führer im Raum DELTA und verschafft sich so die notwendige Zeit, um seine Reserve ECHO verschieben zu können.


    In vielen Fällen ist es auch zweckmässig, den Gegner vor dem Verteidigungsraum zu verzögern, um sein Schwergewicht festzustellen und ihn abzunützen und zu verlangsamen, damit er nicht mit voller Wucht auf die vordersten Verteidiger aufprallt.


    Ob vom Gegner aufgezwungen oder aus freiem Entschluss gefasst: Weil die Verzögerung immer mit unterlegenen Kräften geführt wird, muss entscheidenen Kämpfen ausgewichen werden. Liesse sich der Führer doch darauf ein, könnte das eigene Zurückgehen in Frage gestellt werden. Wenn er jedoch Kräfte zu rasch zurücknimmt, ist die Verzögerung zuwenig wirkungsvoll. Mit anderen Worten: In der Gefechtsform „Verzögerung“ spielt zweifellos das Risiko eine bedeutende Rolle. Der Führer kann es klein halten, wenn er den Feuerkampf auf grosse Distanz führt und den Gegner mit Hindernissen zu zeitraubenden Massnahmen zwingt, den Nahkampf aber meidet.


    Nicht immer lässt sich jedoch der Gegner auf diese Weise nachhaltig genug verzögern. Oft kommt der Führer nicht darum herum, sein Ziel mit zeitlich begrenzter Verteidigung oder sogar einem Angriff mit begrenztem Ziel zu erreichen. Das Risiko, in entscheidende Kämpfe verwickelt zu werden, ist dann grösser, aber eben auch der mögliche Erfolg. So geführte Verzögerung setzt allerdings einen hohen Ausbildungsstand sowie technisch und taktisch bewegliche Kampfverbände voraus.

    Joshua Lawrence Chamberlain
    Former Secretary of State & Secretary of Defense
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  • Rückzug bedeutet, einen Verband vom Gegner zu lösen,


    - um zu vermeiden, dass er in eine taktisch ungünstige Lage gerät,
    - um ihn aus einer taktisch ungünstigen in eine günstigere Lage zu bringen oder
    - um ihn für eine andere Aufgabe einzusetzen.


    Sich vom Gegner zu entfernen, ihm sozusagen den Rücken zuzudrehen, erhöht die Gefährdung des Zurückgehenden. Alles ist deshalb daranzusetzen, Verbände möglichst kampflos zurückzunehmen. Es ist offensichtlich, dass das zu wählende Vorgehen stark vom Druck des Gegners beeinflusst wird, den der Gegner auf den zurückgehenden eigenen Verband ausüben kann. Ist dieser Druck klein, gelingt es vielleicht, den zurücknehmenden Verband als Ganzes zu lösen. Nacht und überhaupt schlechte Sicht und das Geheimhalten der vorbereitenden Massnahmen erleichtern eine solche Aktion. Aber auch wenn ein Rückzug dieser Art möglich scheint, darf kaum angenommen werden, dass der zurückgehende Verband nicht mit Gegner in Kontakt kommen könnte. Verbände sind deshalb so zurückzuziehen, dass sie das Gefecht der verbundenen Waffen führen können. Je selbständiger, desto besser.


    Muss angenommen werden, dass der Gegner rasch und kampfkräftig nachstossen kann, genügen Täuschung und Geheimhaltung des Rückzuges nicht. Das Risiko, sich nicht oder nicht innert nützlicher Frist zurückziehen zu können, muss durch zusätzliche Massnahmen vermindert werden: Schwächung des Gegners kurz vor dem Rückzug durch Feuer oder einen Angriff oder durch Zurücklassen von Teilen des zurücknehmenden Verbandes als Nachhut, um damit die Masse zu schützen. Denkbar ist selbstverständlich auch die Kombination beider Möglichkeiten.


    Das Stärkeverhältnis zwischen Nachhut und Masse des zurückgehenden eigenen Verbandes hängt vom gegnerischen Druck ab und kann durchaus 1 zu 1 betragen. Es ist auch vorstellbar, dass sich Verbände gegenseitig überschlagend zurückziehen. Und in heiklen Lagen kann der Rückzug sogar zum Angriff mit umgekehrter Front werden.


    Das bedeutet, dass im gleichen Gefecht verschiedene Gefechtsformen gleichzeitig angewendet werden müssen. Ein Teil verteidigt beispielsweise, während ein anderer Teil angreift. Aber noch mehr: für Rückzüge steht meistens nur wenig Zeit zur Verfügung, was technische und taktische Beweglichkeit bedingt. Die erste setzt Mechanisierung oder Motorisierung und frühzeitige Entlastung von unnötigen Gütern und Patienten voraus, die zweite geschickte Zusammensetzung und Führung der Verbände. Gesamthaft beurteilt ist unübersehbar, dass die Führung des Rückzuges sehr hohe Anforderungen stellt.

    Joshua Lawrence Chamberlain
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  • Damit ist die dritte Vorlesung des United States War College abgeschlossen. Thema waren die vier Gefechtsformen Angriff, Verteidigung, Verzögerung und Rückzug.

    Joshua Lawrence Chamberlain
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